Die Evaluation komplexer Interventionsprogramme ist eine grosse Herausforderung, mit der ich mich seit Jahren beschäftige. Randomisierte kontrollierte Studien, der Goldstandard der klinischen Wirksamkeitsforschung, sind in diesem Bereich nur selten anwendbar. Die Vielschichtigkeit, Dynamik und Unvorhersehbarkeit komplexer sozialer Interventionen verlangen nach alternativen Forschungsansätzen. Aktuelle Tendenzen auf der Suche nach angemessenen Evaluationsdesigns sind etwa:

  • Partizipative Ansätze: Mitwirkung der Stakeholder im gesamten Prozess anstatt diese bestenfalls als Informationsquelle zu nutzen
  • Methodenkombinationen: Methoden spezifisch einsetzen und kombinieren anstatt einen unangemessenen goldstandard zu postulieren
  • Nutzung von Wirkungsmodellen: Wirkungsmodelle als Hilfe zum Verstehen komplexer Systeme anstatt Prüfung vereinfachter linearer Ursache-Wirkungszusammenhänge
  • Emergente Evaluationsdesigns: Sich laufend entwickelnde Evaluationsdesigns anstatt starrer Evaluationsplan mit vordefinierten Evaluationsfragen, Indikatoren und Methoden
  • Kontextsensible Evaluationspraxis: Kontinuierliche, systematische Reflexion des Kontextes anstatt unkritischer Generalisierungen und Übertragungen von Ergebnissen
  • Formative Evaluationsansätze/Fokus Lernen: Veränderungsprozesse und Wirkungsmechanismen reflektieren und evaluieren anstatt Momentaufnahmen vergleichen
  • Offenheit/explorative Zugänge: Offenheit für unvorhergesehene Entwicklungen und für nicht-intendierte (Neben-)wirkungen anstatt blinde Überprüfung der Zielerreichung
  • Praxiswissen/lokale Evidenz: Nutzung kontextspezifischen Praxis- und Expertenwissens anstatt Beschränkung auf (meist lückenhafte und einseitige) wiss. Evidenzen
  • Plausibilitäten und Potenziale: Wirkungspotenziale und plausible, kontextspezifische Wirkungszusammenhänge anstatt Versteifung auf generalisierbare Wirkungsnachweise einzelner Interventionen
  • Bescheidenheit: Transparente Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen der Wirkungsevaluation anstatt Proklamation nicht haltbarer Wirkungsnachweise

Zum Thema s. auch:
Ackermann Pfyl – Umgang der Evaluation mit Komplexität